Lebe Deinen Traum? (ein Reisebericht von Brigitte Harnack)

Guten Morgen wünscht Simba. ?
13. Juli 2019
EfkAnja – Update Juli 2019 Es geht in die nächste Runde…
14. Juli 2019

Dies ist ein sehr langer Bericht. Es geht nicht um Tiere, die geschunden gefunden und von Anja Günther und Efkan Ozkan aufgenommen wurden… es ist kein Bericht von armen kleinen Welpen, die wieder aus den Bergen mitgenommen werden mussten. Kein Beschreiben von gequälten und abgemagerten und im Müll entsorgten Tieren. Jeder, der dies miterlebt hat, drückt seine Bewunderung Anja und Efkan gegenüber aus, wie sie diese mentalen Belastungen seit vielen Jahren aushalten. Nein, mein Bericht gilt dem täglichen, sehr schwerem Alltag. Den körperlichen Belastungen, denen der zierliche Körper von Anja jeden einzelnen Tag ausgesetzt ist.

Nachdem ich wieder eine Woche intensiven Einblick in das Leben von Anja bekommen habe, würde ich gerne den oft benutzten Ausruf „Ich würde so gerne meinen Traum erfüllen, wie Sie das hier tun, Frau Günther“ beleuchten. Würden die Menschen, die sich so etwas wünschen, auch nach Monaten oder Jahren immer noch der Meinung sein, dass Sie dieses Leben führen wollen? Vielleicht kommen ihnen Bedenken, wenn sie meinen Bericht gelesen haben? Vielleicht!

Ich beginne mit Fakten und Zahlen. Anja beherbergt im Moment knapp 60 Hunde und 15 Katzen. In einem Haus, das nicht im Entferntesten für eine tierheimähnliche Einrichtung geeignet ist. Warum nicht? Weil es an einem Abhang liegt. Weiteres später.

Der Innenhof ist gut zu erreichen. Ein großes (mit sechs älteren Hunden) und ein kleines Gehege (mit 3 Hunden) schließen sich dort an und seit kurzem existiert in diesem Hof auch ein kleines Notgehege mit 4 Junghunden.

Im Wohnzimmer lebt Anja mit 10 bis 12 Hunden – kleinere und ein paar Junghunde, wie z.B. Uwe, ein Kangalmix, 5 Monate alt. Ein Riesenbaby, der alles kaputt macht, was er findet. Zusammen mit Herrn Lale, auch ein Kangalmix, geht es über Tisch und Bänke. Uwe ist eigentlich schon viel zu groß, um im Wohnzimmer zu leben, er könnte eigentlich zu den anderen Gruppen der Welpen, aber Uwe bellt und schreit ununterbrochen, wenn er ausgesperrt wird. Selbst auf der Terrasse im Parterre, zusammen mit vier anderen Welpen ist er nicht zufrieden und bellt schrill…

Wenn die Hunde von dieser Terrasse ihren Auslauf im Hof haben, sammelt Anja wieder die Haufen, spritzt die Terrasse mit Wasser ab und schrubbt alles sauber… zweimal am Tag.
In der Küche sind die kleinsten Welpen untergebracht. Drei waren es zu meiner Zeit – und ein Yorkshireterrier, der von einer Frau abgegeben wurde, weil sie mit ihm nicht zurechtkam, und sich nun einen Malteserwelpen angeschafft hat. Soll ich wirklich die Anzahl der Bäche und der Haufen nennen, die weggemacht werden müssen?

Alle Gruppen, die im Haus sind und in den angrenzenden Gehegen bekommen mehrmals täglich Auslauf im Innenhof.
Gehen wir nun nach unten. Eine Tür führt viele Stufen herab in ein weiteres großes Gehege mit 6 großen unausgelasteten Junghunden. Man muss höllisch aufpassen, dass man nicht die Treppen herunterstolpert, und von den Hunden angesprungen, den Halt verliert. Blaue Flecken und Kratzer sind so gut wie sicher. Eine Tür führt zu einem Raum, in das die Hunde schon mal mit Futter reingelockt werden, um mal ungestört Sachen in die weiteren Gehege bringen zu können. Dieser Raum ist nochmal mit einem Zaun abgetrennt – dort lagern Transportboxen. Hinter der zweiten Tür befindet sich eine Futterküche mit Spüle und wird als Lagerraum für Futter genutzt.

An das erste große Gehege schließt sich dann das nächste Gehege an. Dieses Gehege kann man betreten, wenn sich die 6 Hunde beruhigt haben oder, wenn man sie abwehrt. Im Augenblick ist in dem Gehege eine scheue Mama mit zwei Welpen untergebracht. Die Welpen sind noch relativ klein, darum kann man einigermaßen durchmarschieren, um dann das große Katzengehege zu betreten. Dort leben im Moment neun Katzen. Leider kam vor kurzer Zeit eine Mama mit vier Kindern dazu… es gibt leider nur Streit zwischen den angestammten und den Neuen. Futter und Katzenstreu muss durch die Hundegehege getragen werden. Eine Herausforderung… auch frisches Wasser für die Katzen muss im ersten Gehege geholt werden und in der Futterküche werden die Futterschalen gespült. Bedeutet zwei Türen mit oft schlechtgängigen Schlössern müssen überwunden werden.

Nun, wir waren jetzt in der ersten unteren Etage. Durch eine Tür geht es wieder Stufen abwärts. Im nächsten großen Gehege leben zurzeit fünf große Hunde. Wie überall freuen sich die Hunde über den Besuch ein Loch in den Bauch. Sie springen an einem hoch und man kämpft förmlich gegen die Liebe, die sie loswerden wollen, an. Zur Fütterungszeit wissen alle Hunde, wo sie ihr Futter bekommen und halten sich (meistens) an ihren Napf. Im anschließenden Abteil – wieder durch eine Tür, die schlecht zu öffnen und zu schließen ist, befinden sich zwei Hunde, die sich unwahrscheinlich über einen Besuch freuen.
Zurück durch das erste Gehege, geht man dann wieder einige Stufen herunter und kommt zu den beiden letzten Hundegehegen, im ersten vier Hunde, im anschließenden zwei Hunde. Ansonsten siehe oben.

Hier jetzt wieder ein paar Zahlen: Täglich sind im Schnitt in allen Bereichen ca. 180 Hundehaufen aufzusammeln!!! Täglich werden viele Säcke an Müll produziert. Diese müssen dann entweder per Schubkarre oder per Auto die steile Auffahrt zu Anjas Haus runtergebracht werden.

Vor dem Haus leben der alte Esel Gernot, sowie die Hündin Käthe und der Rüde Till. Sie müssen natürlich auch mit Futter und Wasser versorgt werden. Die Eseläpfel müssen eingesammelt werden und per Schubkarre am Abhang entsorgt werden.

Ganz frei leben drei Straßenhunde, die nur gefüttert werden und Wasser bekommen. Neben der Einzäunung von Gernot gibt es ein überdachtes Depot, wo Heu und Futtersäcke gelagert werden.

Morgens und abends zieht Anja einen Ballen Heu an einer Schnur einen steilen Abhang hinunter. Dabei hat sie einen Stock in der Hand, um die täglich gebauten Spinnweben zu entfernen, dass sie ihr nicht ins Gesicht schlagen. Während des Wedelns und des Ziehens stampft sie dabei mit den Füßen stark auf… Warum? Um etwaige Skorpionen und Giftschlangen zu verscheuchen. Besonders Skorpionen gibt es des öfteren, die sich auch in die Hundegehege verirren und Hunde schon zu Tode gestochen haben. Vor kurzem starb in der Nähe von Anjas Haus ein 10jähriges Mädchen an einem Skorpionstich. Sogar in Anjas Haus im Wohnzimmer des ersten Stocks wurde bereits ein Skorpion entdeckt. Die Tiere klettern auch hoch. Anja hat in ihrem Wohnzimmer oft die Wahl, entweder bei der Sommerhitze schlecht zu schlafen oder bei offener Tür die Angst zu haben, dass sie ein giftiger Skorpion besucht, was tatsächlich auch schon passiert ist.

Apropos schlafen… Schlafen bei andauerndem Hundegebell ist nicht so einfach. Irgendein Hund fängt an, viele schließen sich an. Wenn z.B. Amigo, der Straßenhund, die Abkürzung am Haus vorbei nimmt, um an den Fluss zu gehen, flippen die eingeschlossenen Hunde förmlich aus. Jaulen ist angesagt, wenn die Gebete aus den Lautsprechern über die Landschaft hinweggehen… die meisten beten also mit. Morgens um 4:30 Uhr. Und immer wieder die Angst, dass den Nachbarn der Kragen platzt über das Hundegebell, das nachts noch mehr schallt als tagsüber.

Aber ich war ja bei Anjas Weg zu den drei Eseln, zwei Mulis und dem Pferd. Sie wird morgens von den Sechsen sehnsüchtig erwartet. Dann muss Wasser in die großen Bottiche eingefüllt werden. Eine Pumpe transportiert das Wasser aus dem Depot durch den Schlauch… aber das dauert… und es dauert noch länger, wenn es mal wieder – wie so oft – Stromausfall gibt.
Das Thema Wasser ist in den Sommermonaten, wo es immer zwischen 35 und fast 40 Grad heiß ist, ein besonderes. In jedem Gehege und bei den Huftieren, die ja besonders viel trinken, muss mindestens zweimal am Tag Wasser aufgefüllt werden. Die Junghunde trampeln in die Schüsseln und haben ihren Spaß, aber das bedeutet, dass das Wasser im nächsten Moment eine Schlammbrühe ist. Und wieder und wieder wird Wasser aus den Schläuchen in die Näpfe gefüllt. Das kostet Zeit, die man eigentlich nicht hat, denn es muss ja weitergehen. Wenn ich das sehe, dann bekomme ich das Grausen, wenn ich darüber nachdenke, wie die armen Kettenhunde vor Durst fast vergehen, denn die meisten Türken sind nicht so verantwortungsvoll und überprüfen, ob der angekettete hilflose Hund wenigstens seinen Durst mit Wasser löschen kann… aber das ist ein anderes Thema.

Was habe ich noch nicht erwähnt? Die Katzen im Haus! In einem Zimmer sind 3 Welpen und eine Jungkatze untergebracht. Im Schlafzimmer lebt eine Einzelkatze, die sich mit anderen nicht versteht. In ein weiteres Zimmer ziehen demnächst die Mutterkatze und ein scheuer Sohn, die in dem unteren großen Katzengehege nicht zurechtkommen. Im Bad war bis vor kurzem ein kleiner Welpe, der zunächst mal isoliert werden musste, bevor man ihn in die Küchengruppe integrieren konnte.

Im oberen Stockwerk, das leider nur von außen, also im Innenhof, über eine Treppe zu erreichen ist, wohnte bis vor kurzem die Helferin Lilli Wessels, die leider nach neun Monaten wieder zurück nach Deutschland gegangen ist. Lilly betreute oben auf der Terrasse viele Welpen, bis sie heranwuchsen und in Gehege umgezogen sind. Sie kümmerte sich auch liebevoll um Anja. Jetzt wohnen oben zwei FIV-positive Kater, die natürlich jetzt auch von Anja versorgt werden müssen. Die Terrasse wird sicherlich auch nicht lange leer bleiben.

Und nicht genug der Arbeit. Anja zieht vier Katzenwelpen, die im Müll gefunden wurden, mit der Flasche groß. Alle vier Stunden sitzt sie wieder zwischen all der Arbeit da und füttert schreiende Babies und bringt sie durch Massieren zum Pipimachen und Verdauung… Das kostet Zeit, die sie eigentlich nicht hat. Zwischendurch versucht sie auch noch alle zwei bis drei Stunden eine wahrscheinlich gerade neugeborene Maus großzuziehen. Ein Unterfangen, dass fast unmöglich war. Drei Tage hat der kleine Mäuserich durchgehalten. Leider fand sie ihn morgens tot vor.

Viel Zeit nehmen auch die Tierarztfahrten in Anspruch. In dem ca. 23 km entfernten Mahmutlar hat Özcan Barcın seine Praxis. Özkan ist aber auch immer da, wenn er gebraucht wird, auch nachts oder sonntags, er kommt zum Haus und behandelt, wenn Tier zu krank zum Transport ist. Auch ein weiterer Tierarzt in der Praxis von Özkan ist sehr tierschutzaffin und hilft wo er kann. Habe mit den Namen nicht gemerkt… Szardas?

In der letzten Zeit, als die Helferin Lilli da war, konnte Efkan, der auch seit vielen Jahren neben Anja die Hunde in den unteren Gehegen versorgt, sich mehr dem Projekt Efkanja widmen. Efkan versorgt in und an seinem Haus derzeit 17 Hunde und zwei Pferde. Er ist der Lichtblick des Tages für die armen Straßenhunde, die täglich von ihm mit Futter versorgt werden.

Mit Efkanja ist das riesengroße Grundstück gemeint, dass Efkan weit oberhalb in den Bergen gekauft hat. Dort sollen unvermittelbare Hunde ein lebenswertes Leben bekommen. Auch die Esel, Mulis und das Pferd sollen ein wunderbares großes Stück des Grundstücks bewohnen dürfen. Allerdings gab es dort oben weder Strom noch Wasser. Inzwischen gibt es einen Generator und es wurde ein Wasserdepot eingemauert.

Der Verein Kitmir e.V. hat die Einzäunung bisher nur durch einen Teil durch Spenden finanzieren können. Ein Privatkredti war notwendig. Ich habe vergessen, wie viele Meter Zaun gezogen werden mussten… eine Unmenge… Es ist jedes Mal ein Wahnsinnsakt, um das ganze Material durch steile und ausgeschwemmte Straßen nach oben zu transportieren. Bald entstehen die ersten Gehege und ein kleines Haus für Efkan. Auch Efkan wird ganz viel Arbeit zur Versorgung der ganzen Tiere haben und immer wieder auf neue Schwierigkeiten stoßen. Um ein solches Leben zu führen, braucht man Idealismus und einen wahnsinnig große Tierliebe.

Ich beneide Anja und Efkan nicht um ihr Leben. Diesen „Traum“ muss ich nicht erleben. Ich bewundere sie, wie sie ihr Leben völlig auf die Tiere ausgerichtet haben. Persönlich kommen sie jedoch in ihrem Leben zu kurz. Natürlich ist die Arbeit erfüllend, aber sie ist viel zu beschwerlich. Anjas Körper wird die täglichen immensen Belastungen nicht ewig aushalten können. Ich wünsche mir für sie Erleichterung bei der Plackerei. Es gibt natürlich auch öfters liebe männliche Helfer, die Anja besuchen und sich um notwendige Reparaturen kümmern. Aber die Zeit reicht meistens nicht aus, um sich so intensiv um die Dinge zu kümmern. Oft ist auch das Material in der Türkei schwer zu beschaffen. Anja hat auch oft liebe aktive Kitmiranerinnen an ihrer Seite, die ihr zeitweise Arbeiten abnehmen… sonst wäre sie schon längst zusammengebrochen. Aber die nächsten Wochen in der schlimmsten Hitze kann niemand helfen kommen… die meisten sind ja auch berufstätig und können nicht immer reisen, wann sie wollen. Ganz lieb ist es von Ursula Sterker, die jetzt vorübergehend bei Anja wohnt, und Anja, wie sie es mit ihrer kürzlich operierten Hüfte kann, unterstützt.

Wie kann Anja weiter geholfen werden? Erstens durch Helfer-/innen, die möglichst länger bleiben als eine Woche. Die obere Wohnung wird zur Verfügung gestellt und ein ganz kleines Gehalt ist auch drin.

Ein Handwerker, der das Geschick und Ideen hat, durch einige Veränderungen, z.B. schwergängige Schlösser durch leichtgängige austauschen, die Tür zum Wohnzimmer durch eine zweiteilige Tür ersetzen… usw. usw. wäre ein Segen.

Zum Schluss von mir noch eine Anmerkung. In der Woche, in der ich bei Anja war, musste ausnahmsweise (auch für mich gottlob) kein neues Tier aufgenommen werden. Aber leider gehen dann auch kaum noch neuen Spenden bei Kitmir ein. Dabei ist die tägliche Versorgung ja auch zu finanzieren. Und in sehr großem Umfang. Ich selber möchte durch Aktionen Geld für Arbeiten zur Erleichterung der täglichen Anstrengung sammeln. Spendet Ihr auch dafür?